„Tiere am Dom“

Tiergestalt am Friedrichsgrab

In Stein gemeißelte Tiere: Symbol für den Kampf zwischen Gut und Böse

Seit Georg Rihas beeindruckendem Film über den lebenden Dom sind die lebendigen Tiere in, unter und auf dem Dom in unser Bewusstsein gerückt. In Stein gemeißelte Tiere waren aber schon seit jeher ein bedeutender Bestandteil der mittelalterlichen Kirchen, so auch von St. Stephan.

Die Sitte, Tiere als Symbole zu gebrauchen, ist uralt. Der mittelalterliche Kirchenbesucher, der in der Regel nicht lesen konnte, der aber ein tiefes Wissen um heilsgeschichtliche Zusammenhänge hatte, erkannte viel klarer als wir heute: Das Leben des Menschen ist ein beständiger Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen Auferstehung und ewiger Verdammnis, und brachte dies auf vielerlei Weise, gerade auch in den Tierdarstellungen, immer wieder zum Ausdruck.

Schon an der Außenwand von St. Stephan drohen und spotten Wasserspeier in Form von Hunden, Löwen oder Drachen. Im Gewände des Riesentors, im Fries, symbolisieren Drachen, Löwen und Basilisken jene dämonischen Kräfte, jenen Kampf zwischen Gut und Böse, der das Leben des Menschen begleitet. Manche Motive, wie jenes der verschlungenen Drachen, weisen in vorchristliche Zeit zurück. Auch aus den romanischen Kapitellen im Inneren der Westempore lugen Hunde, Löwen und Drachen hervor. Im Kircheninneren symbolisieren Eidechsen und Kröten am Kanzellauf den immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse, ganz oben bekrönt von einem Hund. Am Friedrichsgrab symbolisieren Tiere Eigenschaften des Herrschers. Altarbilder zeigen Tiere, zum Beispiel Ochs und Esel in der Geburtsgeschichte, eingebunden in das Heilsgeschehen, und symbolisieren einerseits den „vertierten“ Menschen, andererseits die für das Heil empfängliche Seele des Menschen. Die Schlusssteine im Gewölbe erzählen von der Liebe Gottes zu den Menschen: So zum Beispiel der Pelikan als Symbol der Liebe Christi, der für uns sein Blut hingibt.

So erinnert uns die Kirche auch auf diese Weise, mit Hilfe der Tiere, die ja auch ein Teil der Schöpfung Gottes sind, immer wieder an unsere eigentliche lebenslange Aufgabe: die Entscheidung für oder gegen Gott.