Der Stephansfreithof

Totenleuchte auf der Aussenwand der Eligiuskapelle

Der Boden rund um St. Stephan ist heiliger Boden. Der Stephansplatz mit seinem geschäftigen Leben hat heute die Erinnerung daran fast verdrängt, dass schon die erste Stephanskirche als Pfarrkirche, wie jede andere Pfarrkirche auch, von einem Friedhof umgeben war, einem Ort des Friedens und der Stille, der im Jahr 1255 erstmals genannt wurde. Wenn schon nicht in der Kirche selbst – um auch im Tode dem Gottesdienst beiwohnen zu können, was aber nur wenigen Auserwählten vergönnt war –, wollten die Menschen des Mittelalters doch möglichst nahe, sozusagen „im Schatten“ ihrer Kirche, den jüngsten Tag erwarten.

Ein Teil dieses Friedhofs fiel zu Beginn des 14. Jahrhunderts dem Chorbau zum Opfer, als Ersatz wurde im Jahr 1309 ein Teil des Deutschordenshauses erworben.

Der Friedhof bildete einen abgeschlossenen Ort, begrenzt

- im Norden durch den alten Pfarrhof, den späteren Propst- und heutigen Bischofshof,
- im Osten durch die Domherrenhäuser,
- im Süden durch die ehemalige Stephansschule und die alte Steinhütte, das heutige Curhaus,
- im Westen durch eine niedrige Zeile aneinander gereihter Gebäude: Mesnerhaus, Bahrleihhaus, Kirchenschließerhaus, Kantorei, die zu Ende des 18. Jahrhunderts abgerissen wurden, mit dem von 1485 bis 1699 an der Nordwestecke befindlichen Heilthumsstuhl.

Den Zugang zum Freithof vermittelten fünf Tore – das Mesner-, das Schuler-, das Singer- oder Hüttentor, das Rauber- und das Zinnertor, welche im Morgengrauen geöffnet und in der Abenddämmerung geschlossen wurden.

Eine Vorstellung der Situation rund um St. Stephan gibt der Stadtplan des Bonifaz Wolmuet aus dem Jahr 1547. Demnach wurde nur ein Teil des ganzen Platzes tatsächlich als Begräbnisstätte verwendet; von Wegen durchbrochen, erstreckten sich insgesamt acht größere und kleinere Gräberfelder, Bühel (Hügel genannt), auf welchen alle jene, die keine Gruftbestattung erhielten, begraben wurden. Die Namen der Gräberfelder – der Fürstenbühel, der Palmbühel, der Studentenbühel, der Riemerbühel usw. – erinnerten noch lange an alte Gegebenheiten.

Ein im Jahr 1530 durch Ferdinand I. verordnetes Verbot der Begräbnisse am Stephansfreithof aus hygienischen Gründen blieb nicht lange aufrecht. Ein Erlass der niederösterreichischen Regierung aus dem Jahr 1688 weist auf den, infolge von zu wenig tief ausgehobener Gräber, entstandenen Verwesungsgeruch auf dem Friedhof hin.

Am 25. April 1732 erfolgte die Sperre des Freithofs durch Kaiser Karl VI. In der Folge wurden unter der Kirche und auf einem Teil des Friedhofsgeländes die sogenannten „neuen Grüfte“ erbaut.

Im 19. Jahrhundert erst erhielten diese die Bezeichnung „Katakomben“. Bis zum Verbot der Gruftbestattungen unter der Domkirche durch Kaiser Joseph II. wurden hier an die 11.000 Menschen beigesetzt. Nach der vollständigen Aufhebung des Friedhofs am 9. Oktober 1783 übernahmen die Kommunalfriedhöfe außerhalb des Linienwalls die Aufgaben des alten Stephansfreithofs. An diesen erinnern heute noch an den Kirchenwänden angebrachte Grabdenkmäler und Totenleuchten.

Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, unmittelbar vor der Glaubensspaltung, stifteten Wiener Bürger und Ratsherren großflächige Andachtsbilder aus Stein, die zugleich als Schmuck des Chorpolygonals (Begrenzung des Chorraums) dienten. Daneben ließen sie ihre Grabdenkmäler anbringen, nicht weit davon auf dem Freithof befanden sich ihre Gräber.

Der alte Freythof rund um den Stephansdom.