Rudolf der Stifter

Rudolf der Stifter mit dem Modell des Stephansdoms
Herzog Rudolf der Stifter
Rudolfs Gemahlin Katharina (im Bischofstor)
Katharina im Singertor

Etwas verborgen steht heute das Kenotaph, das leere Grabdenkmal von Rudolf IV. in der nordöstlichen Ecke des Frauenchors, im Schatten des Wiener Neustädter Altars. Das war nicht immer so. Einst stand es, nach dem Willen des Stifters, in der Mitte des Hauptchors, in Verbindung mit dem alten, schon 1343 erwähnten „Gotsleichnamsaltar“, vor dem Eingang zu jener Begräbnisstätte, die Rudolf aus Anlass des frühen Todes seines Bruders Friedrich im Jahr 1362 für die Mitglieder seines Hauses errichten ließ. Er wollte hier, wie er selbst festsetzte, dereinst sein Begräbnis finden.

In seiner „Verordnung für die Kirche zu St. Stephan“ aus dem Jahr 1363 spricht er von „der Herzogen Grab" als einer bereits bestehenden Einrichtung und regelt – immer in Verbindung mit dem Gotsleichnamsaltar – dessen Verehrung bis ins Kleinste. Er ordnet zum Beispiel an, dass man gewöhnlich „zu allen tagzeiten sol steckhen auf den alter zwu, und auf der Herczogen grab zwu Kerczen“. Das von ihm gestiftete Kollegiatkapitel wurde verpflichtet, täglich ein feierliches „ampt" auf „Gotsleichnams und unser vrowen altar, der do stet auff unser grab" zu singen.

So sorgte der Herzog bereits zu Lebzeiten für sein ewiges Angedenken. Und als er bald darauf, am 27. Juli 1365, erst 26-jährig in Mailand starb, sollte sich seine Vorstellung ewiger Präsenz inmitten seiner Stiftungen erfüllen: Vor dem Altar über dem Abgang zu seiner Gruft stand sein Grabdenkmal, mit dem Modell des Turmes zu seinen Füßen, an dessen Sockel trauernde Kanoniker und Professoren, Vertreter seiner beiden wichtigsten Stiftungen. An allen bedeutsamen Orten seiner Kirche sein und seiner Gemahlin Bildnis: am Westwerk an jenen Kapellen, die an beiden Seiten der alten hohenstaufisch-babenbergischen Herrscherempore angebaut worden waren sowie an den beiden Seitenportalen der erweiterten Propsteikirche, auf gleicher Ebene mit heiligen Frauen und Aposteln. Und schließlich im Chor, „des Grabmales", wie Thomas Ebendorfer berichtete, das Stifterbild, sein farbiges, lebensnahes Portrait mit Zackenkrone und Erzherzogstitel.

Auf allen Bildnissen – auch auf seinem großen Siegel, das er schon 1360 auf kaiserliche Anordnung brechen sollte – erscheint „der Stifter", dem als österreichischer Herzog der pelzverbrämte Herzogshut zustand, mit der von ihm erfundenen zwölfteiligen Zackenkrone mit Stirnbügel und Kreuz: Edelsteinschmuck und Kreuz sollten in Anspielung auf die Kaiserkrone königlichen Anspruch dokumentieren. Friedrich I., so heißt es im gefälschten „privilegium maius", habe dem österreichischen Herzog das Recht verliehen, einen „gezinneten Kranz" auf seinem Herzogshut zu tragen.

Erinnert werden sollte aber nicht nur an die Person Rudolfs, sondern es ging um die ganze Dynastie, deren Anspruch auf die Königswürde begründet werden sollte. Aus diesem Grund wurden auch Statuen der Elternpaare des Herzogs, wie auch der Schwiegereltern mit hinein genommen. Zunächst vielleicht für die Längsseiten der Herzogskapellen gedacht oder für einen Ort in der Nähe des Grabes bestimmt, wurden sie schließlich in den Sockel des hohen Turmes eingefügt, wobei die Statuen Albrechts II. und Johannas von Pfirt die Zackenkrone mit dem Bügel tragen. Rudolf „verlieh" diese seinen Eltern sozusagen im nachhinein.

Im Jahr 1493, anlässlich der Begräbnisfeiern für Kaiser Friedrich III., wurde das Kenotaph an die Südseite des Nordchores versetzt, 1945 schließlich an seinen heutigen Ort. Das Bild des Stifters hing bis zum 17. Jahrhundert im Mittelchor und wurde dann, wahrscheinlich anlässlich der Barockisierung, in die Heilthumskammer gebracht und hat heute seine Heimat im Dommuseum gefunden. Die Originale der Fürstenfiguren der Westfassade, sowie auch jene der Eltern und Schwiegereltern, wanderten in das Historische Museum der Stadt Wien. Somit befinden sich heute nur mehr die Fürstenfiguren der Fürstentore an Ort und Stelle.

Nach Rudolfs Tod schien es zunächst so, als ob seine Brüder wieder zur realen Politik des Möglichen zurückgekehrt wären. Der Glasfensterzyklus in der oberen südlichen Westkapelle, der unter Albrecht III. entstanden ist, zeigt unter den Habsburgerbildnissen nur die Könige mit Blattkronen, die Herzöge aber, auch Rudolf IV., mit einfachen Hüten.

Und als mit Albrecht V. als König Albrecht II. die Habsburger wieder eine hohe Würde im Reich erlangt hatten, schienen Kronen und Titel Rudolfs IV. vorübergehend nicht mehr wichtig zu sein. Aber nach seiner kurzen Regierungszeit, Albrecht regierte nur ein Jahr, hatten die Kurfürsten fast keine andere Wahl, als wieder einem Habsburger die deutsche Königswürde anzubieten, nämlich Friedrich V., (III.) dem Enkel Leopolds III., des jüngeren Bruders Rudolfs IV. Dieser nahm seine Wahl in der Pfarrkirche in Wiener Neustadt im Jahr 1440 an. Ziemlich das genaue Gegenteil seines Großonkels Rudolf, versuchte er dennoch, von Anfang an fasziniert von dessen Gedankenwelt, seinen Spuren zu folgen.