Wer baute den Stephansdom?

Schenkungsurkunde für den Stephansdom aus dem Mittelalter

Wenn gelegentlich im Gespräch die Rede auf die ungeheuren Summen kommt, die der Bau des Stephansdoms gekostet haben muss, dann wird immer übereinstimmend festgestellt, dass man sich so etwas heute nie mehr leisten könnte. Aber wie, so muss man dann fragen, haben es denn unsere Vorfahren geschafft, ein solches Bauwerk fertig zu stellen und auch zu erhalten? Um diese Frage zu beantworten, muss man ein wenig in die Geschichte zurückgehen.

Heute im Zeitalter des Kirchenbeitrags zahlt ein jeder in der Regel nur das, was er zahlen muss, und glaubt, er hat sich damit den Himmel verdient. Im Mittelalter war das anders. Damals glaubte man, man müsse mehr tun, um selig zu werden. Damals wurde der größte Teil des gottesdienstlichen Bedarfes durch freiwillige Stiftungen und Legate der Bürgerschaft aufgebracht. Viele Spenden und Gaben, auch Legate aus Anlass des Todes, flossen langsam aber stetig zur Ehre und Zier des Gotteshauses, mit dem man sich verbunden fühlte, ein. So bildete sich langsam ein gewisses Vermögen. Dieses Vermögen, das auch Kirchenstiftungsvermögen, Gotteshausvermögen oder – aus dem Lateinischen kommend fabrica ecciesiae – Kirchenfabrik genannt wurde, umfasste bald das gesamte Kirchengebäude mit allem, was zur Erhaltung und Ausstattung der Kirche notwendig war.

In Wien übernahmen im 13. Jahrhundert, in der Zeit ihrer Blüte unter König Ottokar, die Wiener Bürger die Verwaltung des Kirchenstiftungsvermögens, zunächst nur das Zubehör, später dann auch die ganze Baulast. In der Folge bildete sich ein eigenes Amt, das Kirchenmeisteramt, heraus. Dem Kirchenmeister, in der Regel ein angesehener und vermögender Ratsherr, oblag die Verwaltung des gesamten Kirchenstiftungsvermögens. Dieses Amt war vor allem in Zeiten, da an St. Stephan gebaut wurde, von großer Bedeutung. Es blieb bis ins 19. Jahrhundert in städtischer Hand.

Das Kirchenvermögen rekrutierte sich aus verschiedensten Quellen – seit dem 14. Jahrhundert aus landesfürstlichen und städtischen Beiträgen, Zoll- und Mautgeldern, Ablass- und Bußgeldern. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Bau von St. Stephan, wie die Quellen berichten, immer mehr eine Sache der Bürger. Eine Aufzeichnung aus der Mitte des 15. Jahrhunderts berichtet uns von Haussammlungen, die in der Stadt Wien für den Bau von St. Stephan durchgeführt wurden. Aber auch der Klerus musste seinen Beitrag leisten in Form von Strafgeldern, vor allem aber in Form von Legaten und Testamenten.

Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges war nichts mehr wie vorher. Die Einführung des Kirchenbeitrags, das im Nationalsozialismus vernichtete Kirchenzugehörigkeitsgefühl, der zerstörte Dom – all das stellte die Verantwortlichen vor völlig neue Tatsachen. Der Gedanke, für St. Stephan zu stiften, Blumen, Kerzen, Messen, vor allem aber für den Bau und die Renovierung bzw. die Erhaltung des Kirchengebäudes, war und ist den Menschen eher fremd geworden, und ist es bis heute geblieben.

Jeder glaubt, mit seiner „Kirchsteuer" das Seine getan zu haben und vergisst, dass die Kirche aus Kirchenbeitragsmitteln allein ihre Aufgaben nie erfüllen könnte, dass sie – heute nicht weniger wie in alten Zeiten – die Opferbereitschaft und die Solidarität der Bürger braucht, um überleben zu können. In diesem Sinn will der Verein „Unser Stephansdom“ wieder an alte Tugenden anknüpfen und ganz besonders die Wiener Bürger dazu aufrufen, ihren Steffl wieder auch auf unkonventionelle Art und Weise zu unterstützen.